Dr. Albrecht Götz von Olenhusen über seine Untersuchung des Arbeits-, Tarif- und Urheberrecht der Angestellten der öffentlich-rechtlichen und der privaten Sender

Der Freiburger Medienrechtler Dr. Albrecht Götz von Olenhusen hat soeben die erste und bislang einzige Untersuchung über das gesamte Arbeits-, Tarif- und Urheberrecht der Angestellten der öffentlich-rechtlichen und der privaten Sender in Deutschland vorgelegt (Medienarbeitsrecht für Hörfunk und Fernsehen, Konstanz: uvk 2oo4, 34o S., plus CD ROM, Großformat, geb., 34o S., ISBN 3-89669-439-1). Mit ihm sprach Teresa Ruiz Rosas, freie Medien-Journalistin und Autorin.

In der Analyse der rechtlichen Binnenstrukturen der öffentlichen und privaten Sender in Deutschland untersuchen Sie ein Gebiet, das Sie als „Sonderarbeitsrecht“ und „Sonderurheberrecht“ bezeichnen. Was hat man darunter zu verstehen ?

Das Medienarbeitsrecht wird durch ein ungeheuer dichtes Geflecht von Normen geregelt, das vom allgemeinen Arbeitsrecht vielfach und weitgehend abweicht. Es handelt sich um ein sehr geschlossenes System: Satzungen, Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, Dienstanweisungen, Geschäfts- und andere Ordnungen bis hinauf oder hinab zu Kleiderordnungen haben alles penibel und bürokratisch durchorganisiert. Das scheint in deutschen Großbürokratien auch der Kulturwirtschaft, die man einmal „Bewußtseinsindustrie“genannt hat, üblich oder scheinbar unvermeidlich zu sein. Mit einem Wort von Bourdieu fungieren hier Beamte der Menschheit, vom Staat bezahlt, um etwas aus dem Bereich der Natur oder Gesellschaft ans Licht zu bringen. Aber im dunklen Dschungel der Paragraphen und der politischen Correctness wird sich namentlich investigativer Journalismus, wird sich der produktive Mediator und Multiplikator leicht verirren und verfangen. Wenn irgendwo Deregulierung angebracht wäre, dann in den umfänglichen Rechts- und Organisationshandbüchern der Anstalten. Deren Ausmaß überragt in der Ausgefeiltheit der Mach- und Machtwerke das BGB von 19oo bei weitem. Das als lebendig und lebensfähig projektierte Mediensystem wird gewissermaßen in einem monumentalen Normengrab gut und sorgfältig abgelagert. Rudolf Augstein hat vor Jahren mal pointiert das alles mit dem wenig schmeichelhaften Ehrentitel „Angestellte und abgestellte Meinung“ ausgezeichnet.

Wie beurteilen Sie die Situation der produktiven, der schöpferischen für Meinungsbildung, Information und Unterhaltung zuständigen Mitarbeiter insgesamt ?

Die Statusunsicherheit wächst, Arbeitsplatzsicherheit und soziale Vorsorge nimmt ab, das „Normalarbeitsverhältnis“ tendiert zur Befristung, zum Verhältnis auf Produktionsdauer oder – natürlich krass übertrieben – auf Abhängigkeit von Quotenqualität. Niklas Luhmann hat als Soziologe die These von der Temporalisierung von Normgeltung aufgestellt. Mir scheint das trifft den Tatbestand genau. In diesem finanziell und sozial ursprünglich extrem gut gepolsterten Gefilden hällt die Erosion des Arbeitsrechts Einzug. Die beachtliche Zunahme von Arbeitsplätzen bei privaten Sendern wird allerdings durch eine noch höhere Fragilität von Arbeitsverhältnissen erkauft.

Und wie steht es mit dem gerade reformierten Urhebervertragsrecht in den Medien ?

Die Tendenz, daß alle Nutzungsrechte allein beim Arbeitgeber verbleiben, sollen, ist deutlich. Sie sollen mit dem Gehalt einmalig abgegolten sein. Bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten gibt es ordentliche Beteiligungsregeln, die sich aber bei profitabler Nutzung im Bereich außerhalb des Rundfunks all zu bescheiden ausnehmen. Das neue Urhebervertragsrecht müßte auch beim angestellten Urheber eine angemessene Beteiligung zur Folge haben. Aber die Diskussion der Tarifverträge steht hier erst am Anfang. Und ob der sogenannte zweite Korb bei der bevorstehenden Reform des Urheberrechts den Brotkorb nicht noch höher hängt für die Autoren, ist ja auch die Frage.

Haben Sie eine Antwort auf die Frage, wie das Mediensystem unter dem Druck der neuen Technologien, der Kosten- und Sparzwänge, der politischen Kontrolle und Ansprüche von Meinungsmachern, von Hörern und Zuschauern aus der Quadratur des Kreises herauskommen könnte ?

Patentrezepte habe viele oder niemand, auch ich nicht. Forderungen nach offenen, durchlässigen Kommunikationsstrukturen, Dezentralisierung, Grenzen der politischen und ökonomischen Programmierung von Aufgaben, Verringerung von Arbeitsteilung und Spezialisierung stoßen an viele enge Mauern und auf harte Interessen. Erst eine kritische Analyse des „Ist-Zustandes“ ermöglicht Handlungsalternativen abseits von gängigen Formeln des „Qualitätsmanagements“, der Synergiegewinnung durch Fusionen und Konzerne und der Postulierung von Staatsferne. Frage: Sie haben nach den Arbeitnehmern beim Film, nach den sogenannten freien Mitarbeitern in den Medien jetzt den sehr großenGesamtkomplex der Angestellten der Sender, jeweils in Verwaltung, in Technik und Produktion, untersucht.

Ist damit das Thema Medien erschöpft?

Keineswegs. Zur Zeit befasse ich mich mit dem Arbeitnehmer-Urheber im Multimediabereich. Das ist eine absolute Wachstumsbranche. Aber hier hinkt die wundersame ordentliche Welt der Paragraphen zum Leidwesen der Urheber, die sich nicht genügend honoriert sehen, hinterher. Auf der Landkarte des Rechtslebens finden wir also oft dichtes undurchsichtiges Gestrüpp oder weiße Flecken, aber mit diesem Verlust der Mitte werden wir noch eine Weile leben müssen.

Werke von Albrecht Götz von Olenhusen: Film und Fernsehen. Arbeitrecht.Tarifrecht. Vertragsrecht. Deutschland. Österreich.Schweiz. Kommentar und Handbuch mit Vertragsmustern. Baden-Baden Nomos 2oo1, 964 S. geb. ISBN 3-789o-75868 Freie Mitarbeit in den Medien. Arbeits-, Tarif-, Vetragsrecht. Honorare. Urheberrecht. Leistungsschutz. Baden-Baden: Nomos 2oo2. 369. brosch. ISBN 3-789o- 7823-9

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