Das Bonner Debakel: Begreifen Vorstand und Hauptamt des Börsenvereins, was die Stunde geschlagen hat?

Wenn man die Maßstäbe der Wahlanalysen von Parteitagswahlen anlegt – und das werden Volker Hasenclever und ich hier doch wohl tun müssen -, geben die Resultate der Vorstandswahlen auf der eben zu Ende gegangenen Hauptversammlung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Anlass zu Trauer und brennender Sorge.

Dass der Börsenverein funktioniert, ist für die Buchbranche eminent wichtig. Er ist, wie sich in großem Stil zuletzt in der Auseinandersetzung mit der EU-Kommission um den Erhalt der Preisbindung zeigte, die einzige mögliche Instanz einer volkswirtschaftlich nahezu bedeutungslosen, kleinteiligen Branche, um die für das Buch essentiellen ökonomisch-kulturellen Rahmenbedingungen in Politik und Öffentlichkeit zur Geltung zu bringen. Um solche zentralen Aufgaben erfüllen zu können, bedarf der Verband jedoch des Vertrauens seiner Mitglieder – das ist seine Basis. Dieses Vertrauen kann der Verband jedoch nur gewinnen und erhalten, wenn er gute Arbeit leistet.

Eine sinkende Wahlbeteiligung demonstriert immer einen gewissen Vertrauensschwund.

Eine so trostlos niedrige Wahlbeteiligung wie an diesem Mittwoch in Bonn ist eine Katastrophe. Waren es bei der letzten Vorstandswahl im Jahr 2001 noch 1.598 Mitglieder, die aktiv – durch Anwesendheit auf der Hauptversammlung oder durch Briefwahl – die Grundzüge der Verbandspolitik mitgestalten wollten, so beschränkte sich diese Gruppe nun auf ganze 258 – was einer Verringerung um von fast 84 Prozent entspricht. Sie signalisiert: Die Mitglieder haben das Vertrauen in die Arbeit, den Glauben an die Bedeutung des Verbandes verloren. Er ist ihnen gleichgültig geworden.

Sinkende Mitgliederzahlen im Verband spiegeln die Strukturveränderungen der Branche wider. Betriebsschließungen und Fusionen zu verhindern, steht weder im Aufgabenkatalog noch in der Macht der gewählten Vertreter und der hauptamtlich Verpflichteten. Dafür aber um so deutlicher, die Mitglieder von der Notwendigkeit eines starken Verbandes zu überzeugen. Denn ohne ihr aktives Engagement vor Ort, bei den Leserinnen und Lesern, wird das sicherlich richtige Ziel, das Buch als kulturstiftendes Leitmedium wieder in den Köpfen zu verankern, sich in marginaler Medienhampelei erschöpfen. Der Nutzen des Verbandes muss für sie wieder plausibel werden.

Oder sind sie vielleicht mit den Ergebnissen der Arbeit des Verbandes so zufrieden, dass sie ein Engagement für überflüssig halten? Angesichts eines fehlenden Gegenkandidaten für das Amt des Vorstehers gibt es für solche Vermutung kaum Belege. Dafür, dass in Verlagen wie im Sortiment die Enttäuschung wuchs, gab es dagegen seit etwa zwei Jahren klare und unmissverständliche Indizien. Während der letzten Monate wurde sie zu breiter, lauter Verzweiflung. Nicht zuletzt spiegelte es sich auch in der mühseligen, vergeblichen Suche auf Verlegerseite nach einem Kandidaten bzw. einer Kandidatin für die ausscheidende Frau Preiss wider. Bis auf einige weniger Ausnahmen waren – oder stellten sich – der Vorstand und die Verwaltung des Börsenvereins am Frankfurter Hirschgraben in der vermeintlichen Sicherheit ihrer internen Schützengräben taub.

In Bonn haben sie dafür jetzt die Quittung erhalten.

Gerhard Beckmann sagt hier regelmäßig seine Meinung … und freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de. Natürlich können Sie diese Kolumne auch im BuchMarkt-Forum diskutieren. Einfach oben auf der Seite den Button „Forum“ anklicken, einloggen und los geht‘s.

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