Gemeinsame Erklärung der Schulbuch- und Jugendbuchverlage

Mehr Sachlichkeit, mehr Sicherheit

Frankfurt am Main/Stuttgart. Eine Wende zur Sachlichkeit bei der Diskussion um die deutsche Rechtschreibung halten der VdS Bildungsmedien (die Branchenvertretung der Bildungs- und Schulbuchverlage) und die avj (Arbeitsgemeinschaft von Jugend-buchverlagen) in einer gemeinsamen Erklärung für dringend geboten. „Die Rückkehr zu den Methoden der alten Grabenkämpfe der 90er Jahre hilft nicht weiter, sinnvolle und vermittelbare Formen der Rechtschreibung zu finden“, erklärten der VdS Bildungsmedien und die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen heute. Reformkritiker sahen sich durch die Vorlage des 4. Berichtes der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung veranlasst, die Kommissionsmitglieder als mafiöse „Clique fanatischer Sprachplaner“ zu denunzieren; sie forderten zudem teilweise die Wiedereinführung der alten Orthografie, um ein angebliches „Schreibchaos“ zu beseitigen. Der VdS Bildungsmedien und die Arbeitsgemeinschaft von Jugend-buchverlagen halten die Kritik an der Kommission wie an ihren neu vorgelegten Änderungsvorschlägen für überzogen und unsachlich. Die Bildungsverlage wie auch die Kinder- und Jugendbuchverlage fordern zudem die Kultusministerkonferenz (KMK) auf, eine Entscheidung über die Kommissionsvorschläge so schnell wie möglich zu treffen, damit Planungs- und Investitionssicherheit erhalten bleiben. Die Vorschläge des 4. Berichtes reichen nach Ansicht der Verlage völlig aus, um die Neuregelung zu modifizieren. Weiteren Änderungsbedarf sehen der VdS Bildungsmedien und die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen derzeit nicht.

Die Amtschefskommission „Rechtschreibung“ der KMK hatte im Februar die Vorschläge der Zwischenstaatlichen Kommission begrüßt und ihre Umsetzung spätestens zum Ende der Übergangsfrist, dem 1. August 2005, empfohlen. Der VdS Bildungsmedien und die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen schließen sich dieser Empfehlung an und schlagen eine rasche Beschlussfassung der gesamten KMK vor, damit die Modifikationen bereits jetzt in neue Lehrwerke und Unterrichtsmaterialien integriert werden können. Denn: Derzeit finden in mehreren Bundesländern erhebliche Lehrplanrevisionen statt, so z.B. in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein Westfalen und Niedersachsen oder Sachsen. Für die neuen Richtlinien werden derzeit entsprechend neue Schulbuch-Reihen erstellt, die die modifizierte Rechtschreibung sofort aufnehmen und umsetzen können und die dann nicht noch einmal überarbeitet werden müssten.

Eine schnelle Entscheidung der KMK – deutlich vor dem 1. August 2005 – ist auch insofern nötig, um erneute, langwierige und unversöhnliche Streitereien um „8fach“ oder „8-fach“ zu vermeiden und um den unmittelbar Beteiligten – Lehrern, Schülern und Verlagen – schnell weitere Planungs- und Rechtssicherheit zu geben. „Eine erneute grundlegende Diskussion um Formen und Inhalte der deutschen Rechtschreibung würde die Schulen wie die Verlagsbranche wiederum verunsichern, was erneut Gift für den Unterricht und die Investitionsbereitschaft wäre,“ betonte der Geschäftsführer des VdS, Andreas Baer. Er wies zudem darauf hin, dass die Anwendung des neuen Regelwerkes – seit nunmehr fast acht Jahren – in den Schulen offensichtlich zu keinen grundsätzlichen Problemen geführt habe: Die Schulbuchverlage haben weder von Lehrerinnen oder Lehrern noch von Schülern fundamentale oder auf Einzelregelungen bezogene grundsätzliche Kritik übermittelt bekommen – die Neuregelung wird augen-scheinlich erfolgreich angewendet. Dies bedeute nach Meinung des Branchenverbandes auch, dass die Verlage erheblich dazu beitragen konnten, die Neuregelung methodisch und didaktisch umzusetzen.

Was für Deutschland gilt, gilt auch für die Schweiz: Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren kommt in ihrer Betrachtung der Rechtschreibreform seit 1996 zu dem Resultat, „dass die Reform für den Regelungsbereich Schule und öffentliche Verwaltung voll gegriffen (hat). Die … Presse hat die Neuregelung ebenfalls übernommen. In deren oft erwähnten ‚Hausorthographien’ geht es meist um Präferenzen für bestimmte Varianten….., eigentliche Abweichungen von der Neuregelung sind eher die Ausnahme.“

Der VdS und die avj können auch die Kritik nicht nachvollziehen, durch die Vorschläge der Kommission würde ein „Rechtschreibchaos“ entstehen. Die Tatsache, dass einige Variantenschreibungen neu zugelassen werden sollen, ist angesichts einer laufenden Sprachentwicklung erstens keine Neuigkeit und zweitens bei „lebenden“ Sprachen notwendig. Die Bildungsverlage wie auch die Kinder- und Jugendbuchverlage sehen keine Schwierigkeiten, diese Varianten aufzunehmen oder zu vermitteln.

Beide Verbände sehen auch kein Problem darin, die Zwischenstaatliche Kommission auch zukünftig mit der Pflege der Rechtschreibung zu betrauen – sie ist von der Kultusministerkonferenz legitimiert und hat die ihr übertragenen Aufgaben bis dato erfüllt. In den ihr angegliederten Beratungsgremien sind u.a. ebenso die Schriftstellerverbände, die Nachrichtenagenturen, die Journalisten wie die Bildungs- und Wörterbuchverlage oder die Lehrerorganisationen vertreten, die sich aktiv an der Arbeit der Kommission beteiligen – und die insgesamt und im Konsens den nun vorliegenden
Modifikationsvorschlägen zugestimmt haben. Wer ein anderes Organ zur Weiterentwicklung der Rechtschreibung wünsche, müsse dieses konkret benennen und seine Aufgaben beschreiben können, betonten der VdS Bildungsmedien und die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen. Ob durch den Wechsel der Zuständigkeit eine qualitativ andere und bessere Arbeit geleistet wird, ist mehr als zweifelhaft.

Die deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchverlage haben dafür gesorgt, dass heute nahezu 100 % ihrer (oft sehr langlebigen) Bücher in neuer Rechtschreibung erscheinen. Da viele Kinder- und Jugendbücher erfreulicherweise auch im Unterricht eingesetzt werden, mussten dafür Tausende von Titeln komplett neu gesetzt werden. Denn im Interesse der Schülerinnen und Schüler kann es nicht angehen, dass ihre Freizeitlektüre nach anderen Regeln gesetzt ist als ihre Schullektüre. Die Kosten dafür haben bei manchem Verlag die Milliongrenze überschritten, ohne dass auch nur ein einziger Euro mehr erlöst worden wäre. Wenn die heute gültigen Regeln derart verändert würden, dass bei den Kinder- und Jugendbüchern erneut Neusatz nötig würde, träfe das die deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchverlage wirtschaftlich so hart, dass mancher kleiner oder mittelständischer Verlag in existenzbedrohende Ertragsprobleme geraten könnte.

Der VdS Bildungsmedien und die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen weisen nachdrücklich darauf hin, dass eine über die Vorschläge der Zwischenstaatlichen Kommission weit hinausgehende Veränderung des Regelwerkes einen erheblichen finanziellen Aufwand insbesondere bei den Schulbuchverlagen verursachen würde. Dieses würde die Branche kaum ein zweites Mal verkraften können, nachdem sie bereits Mitte der neunziger Jahre erheblich in die Umsetzung der Rechtschreibreform investieren musste, ohne dass die Schulbuchetats der Länder und Kommunen entsprechend angepasst wurden.

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