Von den Dreistigkeiten der Bücher-Schnorrer

Zwielichtige Rezensionsanforderungen – ein Dauerthema für Pressesprecherinnen und Pressesprecher, auch auf der diesjährigen AVP-Tagung in München [mehr…] wieder diskutiert.

Wenn es nicht so ärgerlich wäre, könnte man sich mit einer gesunden Portion Humor an Pfarrer H. aus M. ebenso freuen wie an manchen Redaktionen und Journalisten: Sie fordern ohne Hemmungen und mit teils absurden Begründungen bei Verlags-Pressestellen und -Agenturen Rezensionsexemplare an, stellen sich aber bei genauerem Hinsehen schlicht als Schnorrer heraus – Veröffentlichungsbelege werden ebenso wenig verschickt wie Belege für eine Zusammenarbeit mit entsprechenden Medien geleistet. Um diesen Praktiken etwas Einhalt gebieten zu können, tauschen sich Mitglieder des Arbeitskreises der Verlagspressesprecher e.V. (AVP) mittlerweile zwanglos bei Treffen und per Email aus.

Vorwände zum offensichtlichen Bücher-Einsammeln gibt es viele, der Phantasie scheinen wenig Grenzen gesetzt. Da gibt es etwa ein Paar aus Süddeutschland, das nicht nur immer wieder Exemplare anfordert, sondern auch bei Presseterminen alle Blöcke und Stifte einsammelte, Einspruch zwecklos. Oder jenen „Pfarrer“, den man bei der Kirche nicht kennt. Außerdem ist da noch jener Herr, der einmal als „W.“ – und wenn das erfolglos ist – unter „K.“ Material anfordert. Dabei stellt er sich eher tolpatschig an, residieren beide doch an derselben Adresse. Ein anderer wollte mit dem Argument, wöchentlich große Buch-Mengen für die Verlosung zu gebrauchen, fleißig einsammeln.

Ein weiterer Herr erklärte, er „koordiniere alle Rezensionen einer großen deutschen Tageszeitung“, was sowohl für den Verlag, als auch für die Zeitung ein durch und durch geschäftsschädigendes Auftreten darstellte. Jener Herr trieb seine „kreativen Dreistigkeiten“ noch weiter auf die Spitze. Dafür, dass er keine Belege schicken könne, ja, dass er die angeforderten Exemplare gar nicht erst zur Besprechung erhalten habe, hat er tatsächlich „beeindruckende“ Erklärungen: So wurde der „Pechvogel“ sogar einmal überfallen und ausgeraubt. Ein anderes Mal konnte er leider keine Belege schicken, da seine Redaktionsräume überschwemmt wurden. Oder Kollegen in den Verlagen hätten die Belege aus den Postkästen geklaut oder falsch eingeordnet.

Wozu dieser Energieaufwand? Die Verlagsmitarbeiter können da lediglich mutmaßen: Vielleicht, um sich kostenfrei Werbegeschenke zu organisieren oder die Erlöse aus dem Weiterverkauf bei amazon oder ebay einzustreichen (immerhin wird herum erzählt, dass mancher Zeitungsredakteur behauptet, auf diese Weise sein Häuschen finanziert zu haben!). Auf jeden Fall „ist es auffällig, wenn komplette Programme bestellt werden und nicht gezielt ausgewählt wird“, berichtet Stefanie Frühauf von der Pressestelle des Hörverlags.

Natalie Knauer (Hirmer Verlag) veranstaltete bereits einen entsprechenden AVP-Themenabend. Dass diese Praxis ein Problem darstellt, erfuhr die AVP-Vorsitzende Simone Walper (Hoffmann und Campe) dadurch, dass auch sie in den letzten Monaten vermehrt darauf angesprochen wurde. Auf jeden Fall hilft der AVP-Erfahrungsaustausch, die dreistesten Kandidaten bekannt zu machen. Allerdings müsse man aufpassen, dass man sich lediglich über potenzielle Betrüger informieren, nicht aber versehentlich ordentlich arbeitende Journalisten einbeziehen solle, die aus verschiedenen Gründen nicht immer oder innerhalb kürzerer Frist ihre Beiträge veröffentlichen können.

Ralf Laumer (Mediakontakt Laumer) bestätigt, dass „Schnorrer“ heute mehr auffallen – dass es jedoch mehr seien als früher, glaubt er nicht: Vielmehr fielen diese durch verstärkte Kontrollen in Zeiten knapperer Etats stärker auf. Wobei in seinen Augen die Praxis mancher Verlage, pauschal Besprechungsexemplare auszusenden, dazu beigetragen haben könnte, dass die Empfänger nicht immer deren Wert zu schätzen wüssten.

Mittels sorgfältig geführter Journalisten-Dateien lässt sich der Schaden aber eingrenzen. Mit einer speziellen Presse-Software dokumentiert der Hörverlag, was mit den versandten Freiexemplaren geschieht. Zur Arbeit gehören auch intensive Telefonkontakte mit den Bestellern. Allerdings könne nicht jede einzelne Aussendung entsprechend detailliert begleitet werden, schließlich verlassen hunderte Exemplare jede Woche die Pressestelle, in größeren Verlagen noch weitaus mehr, zeigt Frühauf die Grenzen der Bemühungen auf. Es gehören, das bestätigen auch Mitarbeiter anderer Pressestellen, letztlich Erfahrung und Menschenverstand dazu, zu erkennen, wer sich nur bereichern wolle und sich entsprechend dagegen zu wehren.
Anne Katharina Knieß

Kontakt: http://www.avp-netzwerk.de; info@avp-netzwerk.de

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